Spiele der Erwachsenen – Psychologie der menschlichen Beziehungen

Autor: Eric Berne
Kurzbeschreibung von: Juliane Barth

Auf das Buch „Spiele der Erwachsenen“ von Eric Berne bin ich über Umwege gestoßen – konkret wurde es mir von einem Arbeitskollegen in der Vorbereitung auf ein Training, welches ich in meiner Firma als Seminarleiterin abgehalten habe, empfohlen. Da ich regelmäßig Trainings und Vorträge gegeben habe, dachte ein gewisses Mindestmaß an psychologischen Grundwissen kann nur von Vorteil sein. Ich habe es damals aber schnell wieder beiseitegelegt, weil mir es zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gefallen hat In der Vorbereitung auf mein Projekt für die LSB Ausbildung ist mir dieses Buch wiederum als Empfehlung für die Vorbereitung von pferdegestützten Coachings „über den Weg gelaufen“, weshalb  ich mich nochmal diesem Buch gewidmet habe.

Schon in der Einleitung schreibt Berne, dass das Buch in erster Linie für Psychotherapeuten gedacht ist, es aber auch für Nicht-Fachmänner lesbar und verständlich sei. Das kann ich zwar nur zum Teil unterstreichen aber mehr dazu am Schluss dieser Kurzbeschreibung.

Es besteht aus drei Teilen: Teil I enthält die für die Analyse und das verstandesmäßige erfassen von Spielen theoretischen Voraussetzungen, Teil II detaillierte Beschreibungen der einzelnen Spiele und Teil III neues Material, der beschreibt, was es heißt „nicht spielanfällig“ zu sein.

Der Autor geht davon aus, dass Menschen nicht aufhören, Spiele zu spielen, bloß weil sie dem Kindesalter entwachsen sind. Vielmehr dienen Spiele – ungeachtet ihrer vielfach destruktiven Natur – dazu, den Alltag zu strukturieren und Sicherheit zu vermitteln. Psychologische Spiele, oder „Spiele der Erwachsenen“ sind eingefahrene Kommunikationsmuster, die immer wiederkehrend in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten.

Laut Berne umfasst die Persönlichkeit eines jeden Menschen drei Ich-Zustände: das kindhaft-impulsiv motivierte Kindheits-Ich, das rational-analytisch geprägte Erwachsenen-Ich und das elterliche Verhaltensweisen und Wertesysteme imitierende Eltern-Ich. Er bezeichnet die Grundeinheit aller sozialen Verbindungen als „Transaktion“. Die von ihm begründete Transaktionsanalyse untersucht, in welchem „Ich-Zustand“ sich die Menschen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen und Interaktionen befinden.

Er bezeichnet als Spiel eine Folge von Zügen und Gegenzügen („Transaktionen“ – siehe oben) in den sozialen Beziehungen. Das entscheidende Kriterium ist für Berne, dass mindestens einer der Partner sich von Motiven leiten lässt, die er nicht offen darlegt. Im Gegensatz zu anderen Formen von Sozialkontakten sei „jedes Spiel im Grunde unehrlich, und das Ergebnis ist nicht nur erregend, sondern erfüllt von echter Dramatik“.

Spiele sind meist das Ergebnis fehlender Anerkennung oder negativer Reize.   Menschen haben drei  große „Hunger“: Anerkennung, Reize und Struktur. Werden diese drei Hunger nicht gestillt, sucht der Mensch nach Möglichkeiten sie zu befriedigen.

Teil II  enthält eine Übersicht über alle gängigen Spiele wie Berne sie versteht. Er teilt diese in Lebens- (zum Beispiel „Alkoholiker“, „Schuldner“), Ehe- („Wenn du nicht wärst“, „Gerichtssaal“), Party- („Ist es nicht schrecklich“, „Schlemihl“), Sex- („Macht den Sieger unter euch aus“, „Perversion“) Räuber- („Räuber und Gendarm“, „Wie kommt man hier bloß wieder raus“) und Doktorspiele („Treibhaus“, „Psychiatrie“). Ein abschließendes Kapitel ist schließlich den „guten Spielen“ gewidmet, die konstruktiver Natur sind und folglich psychiatrisch kaum behandelt und erforscht sind. Ein anschauliches Beispiel hierfür wäre „Hilfreiche Hand“, in dem mehrere Spieler wetteifern, wer am meisten hilft oder spendet.

Für jedes Spiel hat er sich einen zugkräftigen Namen und – wenn der Titel lang ist – in der Regel auch eine einprägsame Abkürzung ausgedacht. So gibt es Spiele namens „Jetzt hab ich dich endlich, du Schweinehund!“ (JEHIDES), „Warum nicht – Ja, aber!“ (WANJA) und „Dem Burschen woll’n wir mal ein Ding verpassen“ (DEMEDIV). Dies führt jedoch meiner Meinung nach dazu, dass das Buch noch schwieriger zu lesen ist. Vor allem auch deshalb, weil er viele dieser Abkürzungen bereits vor dem eigentlichen Kapitel, in dem das Spiel beschrieben wird, verwendet.

Manche Spiele werden zu zweit gespielt, andere zu dritt oder sogar mit mehreren Spielern. Allen Spielen gemein ist, dass die einzelnen  Spieler in irgendeiner Form einen „Nutzen“ aus dem Spiel ziehen, sonst würden sie es nicht spielen.  Dieser Nutzen kann z.B. aus Aufmerksamkeit (und sei es negativer Aufmerksamkeit), Vermeidung bestimmter Situationen oder (intimen) Begegnungen  oder der Aufrechterhaltung von symbiotischen Beziehungen bestehen.

Jede Handlung eines Spielers führt unweigerlich zur Gegenhandlung des/der anderen. Es zwingt die Betroffenen gerade dazu, so zu handeln wie sie handeln, weil „das Spiel“ ihnen keine andere Zugmöglichkeit zulässt. Der Spielkreislauf kann nur dann durchbrochen werden, wenn sich ein Partner weigert, die vorgesehene Rolle im Spiel zu übernehmen. Oder wenn dem Initiator seine Rolle im Spiel bewusst wird und er dieses aktiv unterbricht. Berne spricht in diesem Fall von der „Antithese“ zum eigentlichen Spiel und erklärt bei den einzelnen Spielbeschreibungen, was die Beteiligten machen müssten, um das Spiel zu unterbrechen.

Der Spielbeginner des „Ja, aber“ Spiels möchte beispielsweise Ideen für ein bestimmtes Problem hören. Dann schmettert er jede Antwort mit: „Ja aber, das geht aus diesem und jenem Grund nicht“ ab. Es entsteht eine langes fruchtloses Hin und Her. Meist wechselt der „Ja, aber-Sager“ in die Rolle des Verfolgers: „Siehst Du, Du weißt es auch nicht!“ Das Spiel kann nur dann durchbrochen werden, wenn der Mitspieler nicht mehr selbst Lösungen bzw. Antworten gibt sondern vielmehr selbst lösungsorientierte Fragen stellt und so den Spielbeginner zur Antwort zwingt.

Beim Spiel „Jetzt habe ich Dich, du Schweinehund“ sucht der Spielbeginner gezielt nach Fehlern bei anderen. Oft sieht er Fehler, wartet aber die Folgen ab, um dann darauf hinweisen zu können. Er lässt sich dann lange darüber aus, wie dämlich die andere Person doch ist. Die Fehler der anderen werden übertrieben dargestellt. Eine mögliche Intervention, die das Spiel durchbricht wäre es, nachzufragen, warum er nicht früher reagiert hat; oder eine Vereinbarung für die Zukunft treffen, auf Fehler direkt aufmerksam zu machen.

Beim Spiel „Gerichtssaal“ fühlt sich der Spielbeginner von einem Menschen bedroht/bedrängt und kann ein Thema nicht auf der sachlichen Ebene lösen. Er versucht Anhänger zu finden. Zuerst soll ein Vorgesetzter (im Training der Trainer, im Beratungs oder Mediationsprozess der Berater/Mediator) als Richter dastehen. Dann sucht er Gleichgestellte, die als „Geschworene herhalten. Vor allem als Berater bzw. Therapeut ist es hier unerlässlich, die Richterrolle vermeiden und sich nicht dort hinein drängen zu lassen! Dies ist mit Hilfe von lösungsorientierten Fragen möglich bzw. kann auch eventuell das Anbieten einer Mediation hilfreich sein.

Berne schreibt zu Beginn in seinem Buch, dass es auch für Nicht-Fachmänner lesbar und verständlich sei. Meiner Meinung geht es keinesfalls als leichte Gute-Nacht-Lektüre durch. Als Laie musste ich ziemlich viel Mühe aufbringen, um den Lesefluss zu halten, ohne frustriert das Buch in die Ecke zu werfen. Es erfordert ein großes Maß an Konzentration, um die einzelnen, teilweise ähnlichen Spiele voneinander abzugrenzen und die häufigen Querverweise richtig zuzuordnen. Vor allem weil Berne immer wieder Spiele (noch dazu mit dem abgekürzten Namen) anspricht, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erklärt wurden. Manche Spiele erscheinen mir auch als veraltet und  nicht mehr ganz zeitgemäß. Die Fallbeispiele sind sehr auf das damalige Rollenverständnis abgestellt, das entspringt wohl auch dem Denken der damaligen Zeit (das Buch wurde in den 1960ern geschrieben). Die Beschreibungen der einzelnen Spiele sind jedoch durchaus amüsant und ich habe mich beim einen oder anderen regelrecht ertappt gefühlt.

Einige Darstellungen haben mich jedoch definitiv auch zum Nachdenken gebracht. Vor allem, dass sich in zwischenmenschlichen Beziehungen sehr schnell bestimmte Muster (oder wie Berne sie nennt „Spiele“) einschleichen können, die man nur schwer wieder durchbrechen kann. Es erfordert schon einiges an Weitsicht der „Spieler“, um diese wieder zu stoppen. Und es hat mich auch wieder darauf hingewiesen, dass immer (mindestens) zwei Spieler dazu gehören. Wenn nur einer alleine Spielchen spielt, läuft dieser ziemlich rasant auf und kommt damit nicht weiter. Jedoch wie so oft findet sich in der Realität (leider) nur zu schnell ein williger Mitspieler und schon ist man mitten drin.

Ich denke, dass dieses Buch jedenfalls ein Bewusstsein dafür schaffen kann, dass es bei Erwachsenen Neigungen gibt, derartige Spiele zu spielen. Und wenn man eine Tendenz dazu bei sich oder anderen entdecken kann, kann man in Bernes Buch eine Anregung für den Umgang mit derartigen Spielen (bzw. den Spielern) finden. Man sollte jedoch nicht den Fehler machen, und in allen zwischenmenschlichen Interaktionen nach Spielen zu suchen – denn ich hoffe doch sehr, dass auch „normale, spielfreie“ zwischenmenschliche Beziehungen möglich sind…

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