Imagination. Zugang zu inneren Ressourcen finden

Autor: Verena Kast
Kurzbeschreibung von: Mag. Fiorella Seppele

Das vorliegende Buch von Verena Kast ist eine vollständig überarbeitete und ergänzte Neuauflage von Imagination als Raum der Freiheit. Dialog zwischen ich und Unbewußtem aus 1988.

Ich habe es ausgewählt, da mich der Titel „Zugang zu inneren Ressourcen finden“ sehr angesprochen hat. Imaginationen empfinde ich als eine sehr kreative Arbeitsweise und ich finde es besonders wertvoll, dass die Bilder für jede einzelne Person eine persönliche Bedeutung erlangen.

Was ist Imagination?

Imagination, unsere Vorstellungskraft und unsere Phantasie, kann einen Raum erschaffen, in dem wir uns mit Vergangenem, Gegenwärtigem, Zukünftigem oder Fiktionalem auseinandersetzen. Wir können Imagination konsumieren (Inspiration über Bücher, Kunst, Filme etc. erlangen) oder produzieren (unseren eigenen Vorstellungen, Ideen etc. nachgehen). Untersuchungen zeigen, dass bei der Vorstellung eines Objekts eine Vielzahl von Aufmerksamkeitsmechanismen und visuellen Arealen im Gehirn aktiviert wird, so wie es auch geschieht, wenn wir dieses Objekt bewusst ansehen. Über die Imagination können wir unsere Vorstellungen und Emotionen beeinflussen und dies auch bewusst einsetzen, z.B. im Mentaltraining für Sportler_innen.

Woher kommt die Methode der Imagination?

C.G. Jung setzte sich nach der Trennung von Freud mit seinem Unbewussten auseinander und entwickelte darauf die Grundlage der psychotherapeutischen Techniken der Imagination. Es geht darum die Bilder des Unbewussten zu finden; Bilder, die hinter unseren Emotionen stehen, zu verstehen und im Weiteren zu gestalten. Damit Emotionen sich nicht somatisch zeigen und plötzlich an die Oberfläche drängen, können sie in unserer Vorstellung übersetzt werden und somit über die Imagination zugänglich gemacht werden. Die Gefühle können als Bilder betrachtet werden und man kann sich weiter mit ihnen auseinandersetzen, sie gestalten und verstehen (z.B. der Angst ein Gesicht geben).

Für Jung ist die „Aktive Imagination“ die wichtigste Form der Auseinandersetzung zwischen Bewusstsein und Unbewusstem. Die inneren Bilder werden lebendig und innere Figuren zum Sprechen gebracht. Ein Dialog zwischen dem Ich und dem Unbewussten kann entstehen, dieser wird auch als Grundlage für den Individuationsprozess verstanden, dem Prozess in dem der Mensch zu dem wird, was er letztlich ist.

Für Kast kann jede Form der Imagination Bilder freilegen, die emotional und kognitiv von großer Bedeutung sind, eine Unterscheidung trifft sie jedoch zwischen Phantasien und Vorstellungen, die uns einfach begleiten, und aktivem Imaginieren, dem bewussten Stellen einer Phantasie mit besonderem Fokus auf die gefühlten Emotionen.

Imagination in der Therapie

Über Imagination haben wir die Möglichkeit über unser Bild von uns selbst oder von der Welt zu reflektieren und daran zu arbeiten, um damit unsere Lebensbewältigung zu fördern. Alle Bilder, die in den Imaginationen auftauchen, sagen etwas über unsere aktuelle Befindlichkeit aus, es sind also Momentaufnahmen und es liegt daher auch nahe Prozessdiagnostik zu betreiben. Auf diese Art und Weise kann herausgefunden werden, ob es wiederkehrende Bilder gibt und welche Bedeutung diese für den Prozess in dem sich die Person befindet haben.

Eine Imagination beginnt mit einem Bild, das uns beschäftigt. Wir fokussieren uns darauf und nehmen die Veränderungen, den Fluss des inneren Bildes wahr ohne dabei zu kritisieren oder zu hinterfragen. Es kann sein, dass die Person selbst in die Imagination und Bilder involviert ist oder dass sie sie als Außenstehende_r beobachtet. Alle Sinne können während der Imagination angesprochen werden, je mehr Kanäle angesprochen werden, desto lebendiger werden die Bilder erlebt.

Um eine angenehme Ausgangslage für den Beginn einer Imagination zu schaffen und die Intensität der Bilder zu verstärken, wird mit Hilfe von Entspannungsmethoden die Außenwelt abgeschirmt. Der Körper wird bewusst entspannt, der Atem fließt, der ganze Körper wird wahrgenommen, der_die Imaginierende soll sich sicher fühlen. Wichtig ist, dass die Bilder kommen und gehen dürfen, bewusst wahrgenommen werden und in irgendeiner Form fixiert werden, z.B. direkt erzählt oder im Anschluss niedergeschrieben oder gemalt werden. Das sichere Setting und die Entspannung tragen dazu bei, dass die imaginativen Prozesse lebendiger, farbiger, länger und emotionaler werden.

Geführte Imagination

Geführte Imaginationen eigenen sich als Einstieg in die Imagination, da die Veränderungen der Bilder von außen vorgeschlagen werden. Als Ausgangspunkt können Traummotive oder kollektive Symbole herangezogen werden und die Imaginierenden lernen so ihre inneren Bilder fließen zu lassen. Ebenfalls können belastende Situationen imaginiert werden und alternative Handlungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Einerseits ermöglich die geführte Imagination einen emotional näheren Kontakt, da man sich womöglich länger mit einzelnen Bildern auseinandersetzt, andererseits besteht auch die Gefahr, dass die leitende Person zu schnell interveniert und somit Prozesse unterbrochen werden können.

Eine besondere Form der geführten Imagination sind Bilder der Entspannung, in denen Klient_innen angeleitet werden sich in eine Situation zu versetzen, in der sie sich sehr wohlfühlen. Die Auswahl der Situation kann im weiteren Verlauf der Beratung auch Aufschluss darauf geben, was sich der_die Klient_in wünscht bzw. was er_ihr fehlt etc. Außerdem können wiederkehrende Traumbilder mit Hilfe von Bildern der Entspannung angereichert werden und können sich so auflösen bzw. an belastender Intensität verlieren. Die Bilder der Entspannung können außerdem im Rahmen von Ressourcenarbeit erarbeitet und angewandt werden.

 

Interventionsmöglichkeiten bei hohem Stress während der Imagination

Bilder, die uns belasten, können mit Hilfe der Imagination aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Z.B. können Szenen verlangsamt werden, man kann sich Ausschnitte genauer ansehen oder sich vom Bild entfernen und somit mehr Überblick über die Situation erlangen. Der_die Imaginierende hat die Kontrolle über die auftauchenden Bilder und kann sie mit etwas Distanz betrachten.

Gerät der_die Imaginierende in eine Situation, in der er_sie so sehr mit seiner_ihrer Angst konfrontiert ist, dass dies zu einer sehr starken Belastung führt, haben Berater_innen mehrere Interventionsmöglichkeiten:

·         Ansehen des Ängstigenden (Hinsehen bedeutet  zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Sobald das Ungeheuer genau angesehen wurde, reduziert sich die Angst, weil man auch weiß, womit man es zu tun hat.),

·         Ängstigendes erkennen (Was macht mir in welcher Situation Angst?),

·         den vertrauenserweckenden Aspekt ansprechen (Gehen wir davon aus, dass jede auch noch so böse Gestalt ihre guten Seiten hat, können diese Seiten angesprochen werden.),

·         Auseinandersetzung durch Konfrontation (Dies wird möglich, wenn der_die Imaginierende „gut ausgerüstet“ ist und Ressourcen für eine notwendige Auseinandersetzung besitzt.),

·         Auseinandersetzung durch List (Lähmt uns die Angst nicht und haben wir kreative Ideen, so bietet eine List die Möglichkeit auch unsere „bösen“ bzw. hinterlistigen Seiten auszuleben.) oder

·         fliehen (Meist fliehen die Imaginierenden indem sie ihre Augen öffnen und die Imagination beenden. Um den Stress zu reduzieren, kann daraufhin ein Entspannungsbild und im Anschluss daran ev. die Situation nochmals imaginiert werden.).

Als Berater_in können wir jederzeit einen Vorschlag machen, wie in der belastenden Situation geholfen werden könnte. Ziel ist es, dass der_die Imaginierende diese Hinweise (bzw. überhaupt ihre Möglichkeit) internalisiert und im Weiteren selbst einsetzen kann.

Gilt es sehr schwierige Aufgaben zu lösen können eine innere Begleitperson oder der alte Weise bzw. die alte Weise unterstützend wirken. Eine innere Begleitperson kann entweder ein Aspekt der eigenen Persönlichkeit sein, den man in Imaginationen zuvor bereits akzeptiert und angenommen hat, oder ein Mensch, zu dem man viel Vertrauen hat oder der einem bereits früher geholfen hat.

Eine weitere Besonderheit sind Imaginationen mit Tieren, denn es fällt den Imaginierenden leicht Wünsche, Sehnsüchte oder auch Aggressionen auf Tiere zu projizieren. Dies hilft v.a. in Konfliktsituationen, in denen wir durch eine Imagination mit Tieren rasch die Essenz des Konflikts oder wie wir uns darin fühlen erfassen.

Auch Tiere die uns in Angst versetzen müssen wahrgenommen und angenommen werden, denn erst dadurch können wir ihre unterstützenden Eigenschaften integrieren. Dies ist z.B. über die direkte Kontaktaufnahme (verbal oder nonverbal) und das Füttern des Tieres möglich. Sind die Tiere in einer Notsituation soll ihnen geholfen werden, da man dadurch ihren Dank und ihre Unterstützung erhalten kann.

Imaginationen durch den Körper oder zu bestimmten Körperteilen können bei Krankheiten oder Somatisierungsstörungen dabei helfen zu erkennen, welche Grundlage die Krankheit hat oder den betroffenen Körperteilen eine Stimme geben und somit eine Botschaft des Körpers an uns übermitteln.

 

Reflexion

Das Buch hat mir als gesamtes einen sehr guten Überblick über die Möglichkeiten der Imagination gegeben und mir Lust darauf gemacht selbst Imaginationen anzuleiten. Die Beispiele für die Anleitungen sind hilfreich und geben Sicherheit für zukünftige Anleitungen.

Die Analysebeispiele aus der Praxis von Verena Kast sind zum Teil sehr aufschlussreich, v.a. wird ersichtlich, welche symbolische Bedeutung die einzelnen Imaginationen haben können und was sich in ihnen widerspiegeln kann. Da ich als Leserin die Fälle nicht zur Gänze kannte und die einleitenden Worte dazu immer nur verkürzt darstellen, worum es geht, fiel es mir manchmal schwer die Zusammenhänge, die Kast herstellt, nachzuvollziehen.

Psychosoziale Fachliteratur

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