Lebensstil und Wohlbefinden. Seelisch gesund bleiben- Anregungen aus der Logotherapie.

Autor: Elisabeth Lukas
Kurzbeschreibung von: Mag.Eva Susanne Glatz

Warum ich diese Literatur gewählt habe.

Viktor Frankls Leben und seine Logotherapie haben mich bereits im Psychologieunterricht meiner Schulzeit tief beeindruckt und blieben in philosophischen, psychologischen und theologischen Fragestellungen während meines Studiums präsent.

Im Zuge der Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin förderte der ansprechende und begeisterte Unterricht von Susanne Dissauer im Geiste Frankls die Auseinandersetzung im Zusammenhang mit meinem Projekt. Ich beschloss mir Literatur zum gewählten Thema Selbstachtsamkeit aus dieser philosophisch-therapeutischen Richtung zu suchen. Elisabeth Lukas – als prominente Schülerin Frankls – bot sich als Autorin an. Aus ihren unzähligen Büchern wählte ich ,Lebensstil und Wohlbefinden‘, weil mich der Einstieg über die Bausteine des Lebensstils oder Habitus – ihre Überprüfung und Gestaltung – bedeutend erschien für die Arbeit zur Selbstachtsamkeit bzw. -fürsorge. Beide brauchen eine bewusste Entscheidung, gestalten das Leben positiv und fordern immer wieder eine Korrektur, damit sie nicht erstarren. Selbstfürsorge ist kein Ziel sondern ein Wert, nach dem man sich im Leben orientieren kann bzw. nach dem die Bausteine des Lebens ausgesucht werden können. Schließlich entdeckte ich, dass Lukas in ihrem Buch über lebensfreundliche Rhythmen schreibt, die den Bereichen der Selbstfürsorge wie sie mir bis dahin bekannt waren (physisch, psychisch, kognitiv, sozial und spirituell), entsprachen. Ich entdeckte beim Durchblättern des Buches noch weitere Parallelen zu meinen Überlegungen, wie z.B. mein Projekt als eine Art Burnout-Prophylaxe für Lehrer und Lehrerinnen zu gestalten. ,Lebensstil und Wohlbefinden‘ schien in vielen Aspekten mit dem, was ich bereits über Selbstachtsamkeit und Selbstfürsorge gelesen hatte, zu korrelieren bzw. Interessantes zu ergänzen, sodass ich mich dafür entschied, das Buch als Literaturarbeit zu wählen.

 Worum geht es in diesem Buch…

Elisabeth Lukas spürt in diesem Buch den „Bausteinen“ des Lebensstils nach. Inspiriert wird sie durch das philosophische Konzept der Logotherapie nach Viktor Frankl, das den Menschen als geistiges Wesen sieht, der nach Sinn strebt. Sie will dazu anregen, den eigenen Lebensstil zu überdenken und möglichst nach dem Sinnvollen, Vernünftigen und ethisch Vertretbaren auszurichten. Die Lebensstil-Bausteine spielen eine bedeutende Rolle für das physische und psychische Gesundbleiben. Ihre bewusste Gestaltung, Überprüfung und das eventuelle Ersetzen durch sinnvollere, fördert die Lebensqualität.

Lukas erklärt mit Hilfe von Frankls Ausführungen wie Lebenshaltungen und Gewohnheiten entstehen. Durch eine Handlung wird eine Möglichkeit in die Wirklichkeit überführt. Wiederholt sich diese Handlung, wird aus der Handlung eine Haltung und diese Haltung „kürzt sozusagen das Entscheidungsverfahren ab“, weil sie „die Fülle der bereits getroffenen Entscheidungsverfahren“ (vgl. S.8) repräsentiert.

Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass der Mensch nun für immer auf den gebahnten Schienen seiner Haltungen zu verbleiben hat, sondern Lukas/ Frankl geht es darum, den Prozess ihrer Entstehung zu erläutern, damit in diesen Prozess eingegriffen oder neue Prozesse in Gang gesetzt werden können. Der Mensch wird nicht durch seine Gewohnheiten determiniert, er bleibt frei für den Anspruch des Augenblicks! Das Umlernen oder das Bahnen neuer Haltungen ist Frucht einer bewussten Entscheidung und dann eines entschiedenen Handelns. Der Mensch hat zwei getrennte Nervenleitungen: die „Pyramidenbahn“ übernimmt die willentlich klar gesteuerten Bewegungen, während die „extrapyramidalmotorischen Bahnen“ für die bereits automatisch ablaufenden Bewegungen zuständig sind. Lernen bedeutet etwas von der Pyramidenbahn auf die extrapyramidalen Bahnen zu verlegen. Von einer sogenannten Habitatüberprüfung oder Überprüfung der persönlichen Haltungen hängt die körperliche und psychische Gesundheit ab. Fragen wie „Was tue ich? Wie tue ich es? Und: Wie sinnvoll ist insbesondere, was ich automatisch tue?“ (vgl. S. 16) Als Instanz für das Erkennen des Sinns einer Tätigkeit oder einer Haltung nennt Lukas das Gewissen als Sinn-Organ. Die Autorin fasst in sieben Punkten zusammen, wo und wie sich dieser Sinn zeigen kann. „Sinnvoll ist: was eine überragende Chance hat, Gutes zu bewirken  was das Wohl aller Beteiligten mitbetrachtet  was frei von selbstsüchtigen Motiven ist  was im Hier und Jetzt äußerst konkret ist  was nicht überfordert und nicht unterfordert  was mit erfahrenen Mitmenschen konsensfähig ist  was einem die Kraft, es zu wollen, zufließen lässt“ (S. 18)

Erkennt man und entscheidet man sich für eine Veränderung liegt der Erfolg im Mut zu den kleinen Schritten. Nach diesen grundlegenden Ausführungen wendet sich Lukas lebensfreundlichen Rhythmen zu und führt diese näher aus. Dazu zählen: ein gesunder Schlaf-Wach-Rhythmus, vernünftige Essgewohnheiten, regelmäßige, umfassende Bewegung, Abwechslung von Aktivität und Kontemplativität, Abwechslung von ,grauem Alltag‘ und Festivitäten und der Verzicht auf jedwedes Zuviel. Ihre Beachtung nennt die Autorin Vorbeugungs- und Heilungsmedizin in einem.

Die ersten drei Rhythmen werden gemeinsam behandelt und Lukas betont wie stark die Frage der Motivation und die Trotzmacht des Geistes gefragt sind, wenn es darum geht Haltungen in diesen Bereichen zu verändern. Den vierten Rhythmus unterteilt Lukas in zwei Aspekte. Den ersten beschreibt sie mit dem benedektinischen Lebensmotto ,ora et labora‘, welches eine Balance zwischen Zeiten von Aktivität und Zeiten der Ruhe meint. Diese Bindung bewahrt einerseits vor einem Macher-Dasein, wo Arbeit zum Selbstzweck geworden ist und andererseits vor einem Schmarotzer-Dasein wie es die Autorin sehr drastisch bezeichnet. Die Ruhephase meint die Stille als Ort der Sammlung für den Geist, der Klärung und des Auftankens. Der zweite Aspekt betrifft die Pflege von Freundschaften, die Lukas mit den Gezeiten vergleicht, die hin- und herschaukeln: Beisammensein und Freilassen, Verabschieden und Wiedersehen. In Freundschaften setzen sich die Freunde gegenseitig zur eigenen Evolution frei.

Feste feiern, wenn sie fallen stellt den fünften Rhythmus dar. Es meint dem Außergewöhnlichen eine Chance zu geben, sich „für das Sakrale zu öffnen, auf dass es hier und da einen fruchtbaren Samen hineinsäen kann in den Boden unserer Existenz“. (S.43)

Ein Spruch aus dem Tempel von Delphi „Nichts zu sehr!“ steht dafür wie lebensfreundliche Rhythmen gestaltet werden sollen und ist der sechste Hinweis in der Liste der Autorin. Lukas führt den Leser hin zu Frankls Rede von zwei Vierergruppen des Zuviel d.h. von Extremhaltungen. Die erste Vierergruppe wurde von Frankl mit „Kollektive Neurosen“ betitelt. Das Zuviel bezieht sich auf Daseins-, Lebens- und Denkhaltungen. Das erste Übermaß vergisst auf das Eingebettet-Sein des Lebens zwischen Vergangenheit und Zukunft, die den Sinn des Augenblicks erschließen und zu verantwortungsvollem Handeln führen. Wer die persönliche Verantwortung auf Gott abschiebt, führt unter dem Deckmantel der Spiritualität ein bequemes und verantwortungsloses Leben.

Das dritte Zuviel presst das Leben in die Schablonen der Simplifizierung und Generalisierung und  wer zu idealistisch und zielstrebig im Leben ist, lässt andere Werte nicht mehr gelten und wird zum Sklaven des „Alles oder Nichts!“ Die zweite Vierergruppe kritischer Haltungen bezieht sich auf schlechte d.h. krankmachende Formen der Aktivität/ Passivität, wie sie Frankl erforscht und niedergeschrieben hat. Auch hier geht es um ein Zuviel:

Das erste Übermaß bezieht sich auf ein Vermeiden-Wollen, das im Letzten zu einem ,In-noch-größere-Schwierigkeiten-hineinmanövrieren-Wird‘.

Wer stets alles gut machen will strebt nach der Vollkommenheit und läuft Gefahr sich zu verbeißen.

Mit dem Kopf durch die Wand geht jemand, der das Gelingen einer Aufgabe oder Wunsches erzwingen will — ein Zuviel des Dranbleibens und ein Verlust des Vertrauens.

Das vierte Übermaß meint eine Selbstreflexion des Menschen, die ihn derart auf sich zurück-biegt (re-flectere lat.), dass er die Sicht auf die Welt verliert und damit jeden realistischen Vergleich, der für ein Selbstbild notwendig ist.

Die Autorin schließt an diese Ausführungen Frankls Charakterisierung von „rechter Passivität“ und „rechter Aktivität“ an. Ersteres meint ein NichtBeachten und Humorvoll-Nehmen von Gefürchtetem, verzweifelt Erstrebten und nicht zuletzt von sich selbst; zweiteres benennt er als AnUnangenehmes-vorbei-Agieren, Auf-etwas-Sinnvolles-hin-Existieren und Dasein-für-etwas-oder-jemanden.

Waren die bisherigen Überlegungen – vor allem der sechste Hinweis zu den lebensfreundlichen Rhythmen — vom Gedanken der Vermeidung oder positiv formuliert des rechten Maßes geprägt, folgen nun fünf heilbringende Gewohnheiten. Lukas berichtet von zwei psychologischen Studien von 1992, die trotz unterschiedlicher Fragestellungen zu ähnlichen, sich entsprechenden Ergebnissen kamen, die bereits bei Frankls Abhandlungen zur Logotherapie unter dem Stichwort „heilbringend“ zu finden sind.

Stephan R. Covey hatte die erfolgreichsten Menschen der USA untersucht und Kriterien der Tüchtigkeit entwickelt; Leonard A. Sagan widmete sich langlebigen Personen verschiedenster Volksgruppen und untersuchte sie auf gemeinsame Lebensstile. Daraus filterte er Merkmale für Menschen mit hoher Lebenserwartung heraus.

Diese Kriterien und Merkmale ergeben in Zusammenschau mit Frankls Logotherapie folgende fünf heilbringende Gewohnheiten:

  1. Selbstverantwortlich entscheiden mit dem Blick auf das Eigene gemeint ist das logotherapeutische Menschenbild, das den Menschen als freies Wesen sieht und daraus eine eigene

Wirkmacht ableitet

  1. Selbstüberschreitend denken mit dem Blick auf das Fremde — durch den anderen zeigt sich eine Sinnfülle auf die der Mensch angelegt ist, wie das Auge auf das Licht
  2. Proaktiv handeln mit dem Blick auf das Kommende — der Mensch muss zwischen dem Unentrinnbaren und dem Entrinnbaren unterscheiden; gemeint ist wieder die Entscheidungsfreiheit des Menschen, dass er in seiner Reaktion auf Erlittenes entscheiden kann und diese Wahl seine Identität formt
  3. Grundvertrauen pflegen mit dem Blick auf das Übergeordnete die Aufgabe besteht darin sich die für sich passenden Symbole und Riten der Bindung und Rückbindung zu suchen, an wen oder was auch immer
  4. Bewusstseinshorizont erweitern mit dem Blick auf das Zusammenhängende – gemeint ist ein mystischer Weg, der den rationalen ergänzen soll

Den Abschluss ihres Buchs widmet Lukas der Auseinandersetzung mit den unausweichlichen Nachtseiten des Lebens oder mit den Worten Frankls der tragischen Trias von Leid, Schuld und Tod. Die Philosophie soll hier als Lebenshilfe jene Argumente liefern, die den Boden der Existenz abstützen sollen, dass der Mensch sein Schicksal in Würde annehmen kann. Genannt werden vier Stützpfeiler:

Das Leben nicht auf das Alles-oder-Nichts-Prinzip aufbauen.

Vergangenes nicht als verloren sondern als unwiderruflich Geborgenes betrachten

Wenn sich der Sinn im Leid nicht erschließt, sich vor dem Geheimnis beugen, im Vertrauen, dass das Geheimnis existiert

In die Nachtseiten aus denen kein Sinn herausgelesen werden kann, einen ,hineinlesen‘

Das paradiesische Paradox, dass ein Mensch seinem Schicksal im Sinne des „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ widersprechen kann, gibt einen zusammenfassenden Eindruck von der logotherapeutischen Überzeugung, „dass der Eingang zum Paradies exakt dort liegt, wo die Vertreibung stattgefunden hat, wenn ein Beschluss gefasst wird, der dieses Eingangs würdig ist.“ (S. 123)

Was ich darüber denken. warum ich es nützlich fand…

Der Aufbau des Buches erschließt sich gut beim Lesen. Lukas Schreibstil ist durchaus leicht zu lesen und sie verzichtet auf schwerverständliche Termini. Andererseits sind mir ebenso Stilelemente aufgefallen, die auf mich befremdlich gewirkt haben, da sie meines Erachtens zu wertend oder moralisierend waren. Vielleicht hat sich auch nur bestätigt, was mir als Anekdote von Frankl erzählt wurde. Auf die Frage, was die Logotherapie von der Psychoanalyse unterscheide, wo sich der Patient hinlegen und unangenehme Dinge von sich erzählen müsse, soll er — sinngemäß geantwortet haben: „Bei mir können Sie sitzen bleiben, aber dafür müssen Sie sich viele unangenehme Dinge anhören!‘

Das logotherapeutische Menschenbild wird prägnant vermittelt und scheint strahlend durch alle Ausführungen durch. Diese positive Anthropologie fand ich sehr ansprechend.

Die Trotzmacht des Geistes bei der Veränderung von Haltungen/Gewohnheiten wird stark betont, sodass die Erwähnung der kleinen Schritte, die dazu gehören fast untergeht. Trotzdem haben mich diese angesprochen und waren vor allem für mein Projekt bedeutend, wo es mir wichtig war, Übungen auszusuchen, die einfach, im Alltag adaptierbar und fast überall wiederholbar sind. Im Buch spielen die Hauptlinien der Logotherapie die zentrale Rolle. Die Trotzmacht des Geistes umweht ein gewisses Heldentum, das mich manchmal stutzig gemacht hat. Ich vermute auch hier, dass es um eine Stilfrage geht.

Die Ergebnisse der Studien in Zusammenschau mit Frankls Gedanken zum Heilbringenden im Leben fand ich sehr inspirierend und eine Art Zusammenfassung für das Anliegen des Buches.

Psychosoziale Fachliteratur

Kurzbeschreibungen unserer TeilnehmerInnen der LSB-Ausbildung.

Fachliteratur

Downloads

Skriptenauszüge und Infos zu unseren Ausbildungen und Seminaren.

Downloads

Weiterführende Links

Themenverwandtes und mehr Informationen finden Sie hier.

Links

ÖIGT Akademie hat 4,93 von 5 Sternen 40 Bewertungen auf ProvenExpert.com