Validation in Anwendung – Der Umgang mit verwirrten alten Menschen

Autor: Naomi Feil
Kurzbeschreibung von: Désirée Wahl

Mein Eindruck vom Buch

Das Buch liest sich sehr leicht und ist sehr lebendig gestaltet, sie schreibt es mit viel Empathie. Das war eines von wenigen Büchern, welches ich sofort, als ich es bekommen hatte, stundenlang am Stück gelesen hatte, ich hatte es regelrecht verschlungen und die Informationen aufgesaugt.

Daher kann ich dieses Buch, an all jene, die sich mit dieser Thematik näher beschäftigen möchten, wärmstens empfehlen.

Es ist nicht zwingend Notwendig, das Erste Buch (Validation: Ein Weg zum Verständnis verwirrter alter Menschen) gelesen zu haben, um dieses zu verstehen.

Denn die Wichtigste Theorie, welche zum besseren Verständnis dieser desorientierten Menschen beiträgt, wird auch in diesem Buch sehr verständlich wiederholt.

Mit der Vorkenntnis des Ersten Buches war es für mich etwas leichter alles zu verstehen, darum las es sich auch so flüssig.

Die Kapitel sind sehr übersichtlich und verständlich gestaltet, sie beschreibt alle Geschichten sehr genau, lässt ihre gesamten Eindrücke und Gedanken mit einfließen. Das macht es so nachvollziehbar.

Was mir gut gefallen hat ist, dass sie die einzelnen Phasen der Verwirrung zuerst mit einer oder mehreren Geschichten beginnt und dann in der Theorie, näher darauf eingeht, wie man die Lebenszeichen gewisser Phasen deutet und welche Maßnahmen den jeweiligen Zustand nur verschlechtern. Auch die jeweilige Validationstechnik diverser Phasen wird gut erklärt.

Ebenfalls hat mir bei diesem Buch sehr gut gefallen, dass sie nicht „nur“ die Geschichten erzählt, welche sehr lebendig geschrieben sind, sondern auch die wichtige Theorie und Psychologie mit einfließen lässt.

Gleich zu Beginn findet sich eine sehr rührende Geschichte, die ich aber nicht näher beschreiben möchte, denn sie wirkt besser wenn man sie selbst liest und sie ist sehr lesenswert. Ich möchte nur eines kurz anbringen. Ich finde es sehr schade, dass Naomi Feil zu dieser Zeit noch nichts über Validation wusste und diese Geschichte zeigt auch auf, wie wichtig das Aufarbeiten ignorierter Gefühle im Alter wird.

Alle Geschichten haben sich wirklich zugetragen. Beeindruckt hat, mich ihre Ehrlichkeit, denn sie beschreibt einige Erlebnisse mit alten, verwirrten Menschen, noch vor ihrer Validationskenntnis und schreibt offen über ihre gemachten Fehler, ebenso gibt sie vieles über ihre eigene Kindheit preis.

Im Ersten Buch hat sie geschrieben, sie lernte die Methode der Validation, von den Menschen mit denen sie arbeitet. In diesem Buch findet man ein paar dieser Geschichten.

Anhand dieser Geschichten, kann man den ungefähren Werdegang der Validation verfolgen, denn durch diese lernte sie wichtige Validationstechniken.

Zu Beginn möchte ich ein paar dieser Geschichten kurz anschneiden, durch die ersichtlich wird, wie Naomi Feil die Validationsmethode entwickelte.

Isidor Rose

Zu der Zeit, als sie Isidor Rose kennenlernte, hatte sie noch keine Ahnung von Validation. Damals wollte sie diese desorientierten Menschen ihren eignen Standards anpassen. Sie hat IOJahre gebraucht um zu verstehen was mit ihm geschah und in ihm vorging.

Erst der Tod von Isidor Rose lehrte sie, alten Leuten zuzuhören, die in ihre Vergangenheit zurückgehen müssen, um sie in Ordnung zu bringen.

Durch Gespräche mit seiner Schwester erfuhr sie einiges über sein früheres Leben und wie er mit seinen Problemen umging, wie er seine Gefühle ausdrückte und wie er seine Verluste ertrug.

Er wuchs als unerwünschtes Kind in einer schlechten Zeit auf, wurde von seinem Vater oft auf dem Dachboden gesperrt und als Nichtsnutz beschimpft, der es zu nichts bringen werde. Isidor, hat nie zurückgeschrien oder geweint. Hat alle Demütigungen still ertragen.

Im hohen Alter wurde er zum Beschuldiger, er beschuldigte seinen Arzt ihn bei einer

Prostataoperation kastriert zu haben und den Leiter des Pflegeheims beschuldigte er, ihn auf dem Dachboden zu sperren.

Isidor Rose war für sie der Auslöser, sich intensiver mit diesen Menschen zu befassen. Sie begann, den kranken alten Menschen zuzuhören. Das war 1963 und das waren die Anfänge der Validation. Sie fand heraus, wie weise diese Menschen waren und dass es immer einen Grund für ihr Verhalten gab.

Frances Blake

Frances, die immer andere beschuldigt:

Sie hat aus ihren Fehlern mit Frances Blake gelernt. Sie lernte, dass man nicht widersprechen soll, nicht jemanden bevormunden, nicht argumentieren, dass man nicht mit logischen Erklärungen kommen oder versuchen soll, einer Desorientierten Person ihre eigenen Beweggründe zu erklären.

Einmal in der Woche kam Frances zu Naomi Feil ins Büro. Sie beschuldigt immer die gleiche Person ihre Unterhosen zu stehlen, um mit diesen in das Zimmer eines jüngeren Mannes zu gehen, dort blieb sie die ganze Nacht.

Damals versuchte Naomi Feil, Frances zu überzeugen, dass niemand ihre Wäsche stielt, daraufhin wurde sie noch wütender und ausfallend.

Denn eine auf die Wirklichkeit ausgerichtete Orientierung vertrug sie nicht. Sie wollt auch nicht den Grund wissen warum sie so handelt.

Wenn man lange Zeit unangenehme Gefühle abgelehnt hat, kann man im hohen Alter zum Beschuldiger werden, um mit den Verlusten fertig zu werden.

Nach dem Tod ihres Mannes wurde ihr Leben bitter. Sie beschuldigte um zu überleben, je tiefer ihre Angst wurde, desto mehr beschuldigte sie andere Leute.

Sie hatte nie gelernt sich zu vertrauen, oder darauf zu vertrauen, dass man Verluste überleben kann.

Verhaltenstraining hatte nichts geholfen. Sie brauchte jemand, der ihr zuhörte, denn sie war in die Aufarbeitungsphase des Lebens gekommen.

Doch niemand hatte ihr je zugehört und somit wurde sie mit Medikamente ruhiggestellt und in ein Pflegeheim gebracht, wo sie zu einem der lebenden Toten im Rollstuhl wurde.

Erst nach dem Tod von Frances Blake, wurde ihr bewusst, was sie hätte machen können.

Sie hätte die Worte aufnehmen und wiederholen sollen, um ihr das Gefühl zu geben ernst genommen zu sein und so Vertrauen aufbauen. Ebenso hätte sie mit Fragen das Erinnerungsvermögen wecken können.

Ellen Haskins

Ellen, die Raffgierige:

Hat ihr die erste Grundregel der Validation gelehrt: Stelle Vertrauen her, indem du Gefühle akzeptierst; beharre nicht auf den Tatsachen.

Ellen versteckte täglich ihren Ehering im Abfalleimer. Sie platzierte ihn sorgsam, ganz unten im Eimer. Leerte ihn vor den Augen von Naomi Feil aus und beschuldigt alle anderen ihren Ring zu stehlen und im Abfall zu entsorgen.

Das Thema wechseln, von Gegenteil überzeugen, das alles hat nichts geholfen. Über 2 Jahre versteckte sie ihn.

Ellen arbeitete hart um ihre drei Kinder durchzubringen, als ihr erster Ehemann im ersten Weltkrieg starb. Sie war eine strenge Mutter und hatte nie ihre Gefühle gezeigt. Mit 46 verliebte sie sich ein zweites Mal und heiratete. Zwei Jahre später starb ihr Mann an einem Herzanfall.

Jetzt in der Aufarbeitungsphase, sehnte sie sich unbewusst, ihr Leben in Ordnung zu bringen. Sie hatte nie ihren Zorn und den Kummer den sie empfand, als sie nacheinander ihre Ehemänner verlor, richtig ausgedrückt.

So wie sie ihren Ring in den Abfalleimer geworfen hat, hatte sie das Gefühl vom Leben in den Abfalleimer geworfen zu sein und so drückte sie ihren tiefen Kummer aus.

Sie wollte nichts über ihre Gefühle wissen, daher verwendet sie ihren Ring als Symbol, denn sie fürchtete sich vor Gefühlen.

Als Naomi Feil lernte, sie nicht abzulenken oder zu beschwichtigen, sie nicht nach Gefühlen zu fragen oder nach dem Grund ihres Verhaltens, begann sie ihr zu vertrauen.

Lucy Kelly

Lucy, die Spuckerin:

Lucy hat sie gelehrt, dass man Anklägern nicht helfen kann, solange man sich nicht seinen eigenen Zorn eingesteht und ihn ablegt. Sie lernte wie wichtig es war, die eigenen Probleme zu verstehen. So bereitete sie sich auf ihr eigenes hohes Alter vor.

Lucy lehrte sie die Validationstechnik 3: die Worte zu wiederholen.

Lucy Kelly spuckt jeden an den sie nicht mochte und Naomi Feil mochte sie nicht. Lucy war feinfühlig wie ein Geigerzähler im raus hören falscher Emotionen. Daher ist es in der Validation so wichtig, spürbar ehrlich zu sein. Sie wollte auch nicht mit ihren Gefühlen konfrontiert werden. Zu Beginn machte Naomi Feil bei Lucy Kelly beide dieser Fehler.

Im Gespräch mit ihrer Tochter ergab sich, dass Frau Kelly eine erfolgreiche Geschäftsfrau eines großen Kaufhauses gewesen war. Sie beschrieb ihre Mutter als sehr streng, die über alles und jedem das Kommando hatte.

Als sie eine Geschichte aus ihrer Kindheit beschrieb, kam sehr viel Zorn auf. Naomi Feil ermunterte die Tochter, diesen Zorn auch zuzulassen, denn es ist wichtig seine eigenen Gefühle einzugestehen und nicht im Zorn stecken zu bleiben, darauf hin bezeichnete sie ihre Mutter als Satansbraten und ihr wurde gleich wohler.

Naomi Feil erinnerte sich auch an eine Geschichte in ihrer Kindheit, auch sie musste sich ihren Zorn auf ihre Mutter eingestehen, denn sie wollte nicht so enden wie Lucy Kelly. Sie sieht es als Belohnung, dass sie sich auf ihr eigenes hohes Alter vorbereitet, indem sie sich bemühte mit Lucy mitzufühlen.

Mit der Technik, die Worte zu wiederholen und sachliche Fragen zu stellen, konnte sie Vertrauen aufbauen. Sie konnte aber nur max. 10 min. pro Tag spürbar ehrlich sein.

Im Folgenden werde ich eine Geschichte näher ausführen, die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, denn jede Geschichte in ihrem Buch ist erzählenswert. Warum ich mich genau für diese Geschichte entschieden habe ist, weil hier die Hintergründe, die Theorie und die Psychologie sehr gut zur Geltung kommen und weil mich diese Geschichte auch zum Nachdenken angeregt hat.

Im Zuge dessen, werde ich ein paar wichtige Einzelheiten dieser Geschichte näher beschreiben.

Dr. David Willard

David, der Grabscher:

David begrabschte das Pflegepersonal bei jeder sich bietenden Gelegenheit und bringt dabei, vor allem die Hilfsschwester Clara an ihre Grenzen, später gehe ich noch näher auf Clara und ihre Situation ein.

Das Gespräch mit seiner Frau und Tochter ergab, dass er ein erfolgreicher Chirurg war, der nur geheiratet hatte, weil es sich für einen Arzt so gehört. Ein Kind wollte er auch nur, weil sich seine Mutter ein Enkelkind wünschte, nicht weil er Vater werden wollte. Er war ein Gefühlskalter Mensch nur mit seinem Beruf verheiratet. Er zeigte nie das Gefühl von Liebe. Er kümmerte sich nie um seine Familie, auch dann nicht, wenn sie wegen einer Lungenentzündung oder einer Blinddarmentzündung fast gestorben wären.

Sie wollte sich nach dem ersten Ehejahr von ihm scheiden lassen, doch wegen ihrer Tochter blieb sie bei ihm. Seine Frau lebt in einem anderen Gebäudekomplex des Pflegeheims und verweigert den Kontakt zu ihrem Mann, auch die Tochter besucht ihn nie, sie kümmert sich auf ihre Weise um ihn, indem sie darauf schaut, dass es ihm an nichts fehlt.

Von seiner Ehefrau und Tochter konnte daher keine Hilfe erwartet werden.

Im Gespräch mit Naomi Feil und der Hilfsschwester Clara wird näher auf ihr Problem mit Dr. Willard eingegangen, und warum sie sich so schwer damit tut, mit dieser Situation umzugehen.

Es kam dabei heraus, dass sie ihren Onkel Stanley, in Dr. Willard wiedersieht, dieser hat sie in ihrer Jugend unsittlich berührt und niemand glaubte ihr.

In der Pflege geschieht es anscheinend häufiger, dass die Bewohner, einem an Personen aus der Vergangenheit erinnern und das ganz unbewusst.

Manchmal verhalten wir uns diesen Leuten gegenüber so, wie wir uns immer unseren Eltern gegenüber verhalten wollten, oder aus irgendeinem Grund nicht konnten.

Wie bei Clara es Onkel Stanley war.

Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst werden, denn nur so können wir uns ändern.

Aus diesem Grund hatte Clara auch das Bedürfnis ihn zu melden oder gar anzuzeigen.

Durch dieses Gespräch änderte sich Claras Sichtweise und sie verstand jetzt, was sie ohnehin schon unterbewusst wusste, dass er es nicht mit Absicht machte. Jetzt hat sie einen ganz anderen Zugang dazu. Sie empfand Mitleid und Verständnis.

Weiters ergab sich im Gespräch, dass Dr. Willard eine Freundin hatte.

Naomi Feil nahm seine Freundin in ihre Validationsgruppe auf. In dieser Gruppe wurde oft darüber gesprochen, dass Menschen Liebe und Zuneigung brauchen. Die Teilnehmer dieser Validationsgruppe halfen einander, das gemeinsame Problem der Einsamkeit zu bewältigen und halfen sich auch starke Gefühle auszudrücken.

Ab diesem Zeitpunkt achtete das Personal darauf, dass Dr. Willard und seine Freundin Melba immer nebeneinander saßen, sie tanzten gemeinsam und berührten sich auf akzeptable Art.

Innerhalb von sechs Wochen ließen die Tätlichkeiten nach.

Die Szene mit der Hilfsschwester hat mich zum Nachdenken angeregt und ich stelle mir die Frage:

-Kommt es eventuell mal vor, dass man etwas zu heftig bei gewissen Aussagen oder Handlungen von gewissen Personen reagiert?

-Stellen wir im Unterbewusstsein eine Verbindung zu möglichen vergangenen Personen und deren Verhalten her?

-Sind wir jetzt mutiger und selbstbewusster, anders zu handeln, als wir es damals konnten?

Und besteht daher der Drang so zu handeln, wie wir es damals gerne getan hätten?

Kritik

Ich finde Naomi Feil hat es nicht nötig Geschichten mit einem fiktiven Ende zu schreiben, denn sie hat über mehrere Jahrzehnte Menschen validiert und es gibt sicher einige Geschichten mit realen Enden und in diesem Zusammenhang finde ich Geschichten mit fiktivem Ende nicht notwendig und schon gar nicht, so geschrieben: wenn die Person validiert geworden wäre, würde es so aussehen.

Ja, es wäre möglich, aber es muss nicht genau so ausgegangen sein, dies finde ich meiner Meinung nach etwas zu blumig geschrieben. Und ich finde durch solche Enden wird die Validation oder Naomi Feil künstlich in den Himmel gehoben und das ist wirklich nicht notwendig, denn die Validationsmethode ist toll und ich finde auch dass sie viel mehr unterrichtet gehört. Mich überzeugt diese Methode, auch ohne blumig geschrieben Enden.

Ich habe dieses Buch mehrere Male gelesen und freu mich schon sehr auf meine Validationsausbildung, denn ich bin neugierig, ob sich diese Geschichten wirklich so erleben lassen, denn es klingt teilweise etwas „einfach“ und es scheint schnell zu gehen, herauszufinden worum es bei der jeweiligen Aufarbeitungsphase geht.

Ich bin schon gespannt, wenn ich diese Methode beherrsche, ob es für mich auch so „einfach“ ist, in Situationen so zu reagieren, dass ich diese Person optimal in ihrer Aufarbeitungsphase unterstützen kann.

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