Therapeut und Klient

Autor: Carl R. Rogers
Kurzbeschreibung von: Günter Schaden

Carl R. Rogers gibt in seinem Buch „Therapeut und Klient“ eine Einführung in die Grundkonzepte der klientenzentrierten Therapie.

Seiner Auffassung nach hat jeder Mensch das Potenzial zu Wachstum und Veränderung. Im Gegensatz zu anderen psychotherapeutischen Richtungen steht bei ihm die Beziehung im Mittelpunkt und weniger das konkrete Problem bzw. der Konflikt der den Klienten belastet.

Die Beziehung ist die heilsame Komponente, das mitfühlende Gespräche aber genauso auch die Stille, die die Selbstwahrnehmung des Klienten verstärkt und seine Potenziale wahrnehmen lässt.

Rogers wurde sehr stark von der Lehre des Freudschülers Otto Rank beeinflusst. Rank war im Gegensatz zu Freud davon überzeugt, dass der Klient und nicht der Therapeut im Mittelpunkt stehen sollte. Die Therapie sollte zur Stärkung der Selbstverantwortung des Klienten dienen, der dann sein Leben selbst in Hand nehmen kann und somit seine eigene Wirklichkeit schaffen müsse (Rank, 1936).

Rank war aber nicht der einzige Therapeut, der Rogers beeinflusste. Rogers war aufgeschlossen gegenüber vielen bedeutenden Persönlichkeiten und Ideen. Die Weiterentwicklung seiner Ideen basierte aber auf der laufenden Überprüfung und Validierung seiner praktischen Forschungsergebnisse.

Im Wesentlichen besteht sein therapeutischer Ansatz in einer authentischen Beziehung zwischen Therapeut und Klient. Das setzt auf Seiten des Therapeuten folgendes voraus:

  • Authentizität/Echtheit und Kongruenz: dem Therapeuten müssen seine eigenen Muster, Probleme und Konflikte bewusst sein
  • Ein bewertungs- und bedingungsfreies Akzeptieren des Klienten
  • Sensibilität/Empathie dem Klienten gegenüber

Ohne Empathie ist seiner Auffassung nach keine heilsame Beziehung zum Klienten möglich. Nur wenn sich der Klient verstanden fühlt kann die Beziehung und damit auch der Klient weiterwachsen.

Sind alle Grundlagen vorhanden kann ein therapeutischer Wandlungsprozess stattfinden, Prozesskontinuum genannt.

In diesem Prozesskontinuum durchläuft der Klient sieben Stadien, von einer starren und versteinerten Gegenwart hin zu einer fließenden Veränderlichkeit in allen Lebensbereichen.

Das Selbstbild des Klienten wandelt sich, Inkongruenzen (innere unbewusste Konflikte) können sich auflösen.

In einem weiteren Kapitel beschreibt Rogers zwei ausführliche Fallberichte einer klientenzentrierten Kurztherapie.

Diese Beispiele zeigen sehr anschaulich wie der therapeutische Prozess abläuft. Im Prinzip geht es um die Wiederherstellung der Kommunikation mit sich selbst. Am Anfang des Prozesses empfindet sich der Klient sehr stark fremdgesteuert. Er unterliegt Zwängen und Mustern, die vom Aussen, anderen Menschen oder der Gesellschaft bestimmt werden. Im Laufe des Prozesses erlebt sich der Klient immer mehr selbstbestimmt und gelangt zu Verhaltensweisen, die von freier, innerer Kommunikation bestimmt werden.

Im dritten Kapitel wird die klientenzentrierte Theorie beschrieben.

Die klientenzentrierte Therapie versteht sich nicht als „Schule“, Methode oder Dogma, sondern sich als weiterentwickelnder Prozess einer Reihe von Grundsätzen.

Im Prinzip basieren die Grundsätze alle auf der Annahme, dass jeder Mensch/Klient für sein Leben selbst verantwortlich ist aber auch das Wissen über seine individuelle, persönliche Lösung in sich trägt. Im Focus steht das Erleben der Gegenwart, das „Wie“ und nicht das sehr vergangenheitsorientierte „Warum“.

Die Therapieform setzt eine klientenzentrierte Lebensauffassung voraus, eine Philosophie der Empathie und Authentizität. Teil dieser Lebensauffassung ist auch die Wertschätzung und bedingungslose Akzeptanz des Klienten.

Danach folgt ein Kapitel mit kommentierten Gesprächsausschnitte aus Rogers Therapiestunde mit Gloria.

Dieses Gespräch dauert zwar nur eine halbe Stunde, fasziniert aber durch die Intensität und den offensichtlichen Prozess, den die Klientin in dieser Zeit durchläuft.

Die Niederschrift enthält auch Anmerkungen, die auf Beobachtungen der ursprünglichen Videoaufzeichnung basieren. In diesen Anmerkungen wird unter anderem die Kommunikation durch Körpersprache (z.B. empathische Gesten) des Therapeuten und die Reaktion des Klienten darauf beschrieben.

Mit dem Bericht über Psychotherapie mit Schizophrenen beschreibt Rogers in einem eigenen Kapitel die Besonderheiten der Therapie mit unmotivierten Klienten. In diesem Forschungsprojekt hatte er sich der Wirkung der Psychotherapie bei einer Gruppe von mehr oder weniger chronischen, hospitalisierten Schizophrenen gewidmet.

Diese Personengruppe ist deswegen so speziell, da diese Menschen fast ausnahmslos keinen bewussten Wunsch nach Psychotherapie haben und sich sogar manchmal aktiv jedem Versuch widersetzen ihnen zu helfen. Dieser Mangel einer bewussten Motivation ist ein grundlegendes Problem in der Psychotherapie. Im Prinzip bedeute das aber nur, dass für diese Fälle spezifische Konzepte und Techniken entwickelt werden müssen.

Rogers Forschung weist darauf hin, dass bei psychotischen Menschen nicht die Psychose, d.h. das Verhalten behandelt werden soll, sondern dieses Verhalten nur ein Kommunikationsmittel des Klienten ist. Dieses ist zwar oft schwer verständlich, aber trotzdem eine Möglichkeit in Beziehung treten und damit ein Ansatzpunkt für die klientenzentrierte Therapie.

Im abschließenden Kapitel beschreibt Rogers noch einmal die Basisvariablen für die zwischenmenschliche Beziehung:

  • Kongruenz (Übereinstimmung mit sich selbst)
  • Empathie (Einfühlendes Verstehen)
  • Wertschätzung oder positive Zuwendung
  • Das bedingungsfreie Akzeptieren

 

Dieses Buch hat mich persönlich sehr inspiriert. Rogers zugrundeliegende Philosophie der Authentizität, Empathie und bedingungsloser Akzeptanz hat sofort eine Resonanz in mir ausgelöst. Dass die Beziehung zum Klienten im Vordergrund steht und das Wollen, Ziele und Werte in den Hintergrund treten empfinde ich als unheimlich befreiend.

Losgelöst von Analyse, Bewertung und dem „Warum“ ergeben sich für mich unendlich weite Räume, die Platz für Entwicklung, Freiheit und das spielerische Erleben seines Selbst schaffen.

Gleichzeitig ist das Buch auch ein wissenschaftliches Werk. Rogers war es immer wichtig, seine Arbeit mit entsprechender Forschung zu belegen und gegebenenfalls auch anzupassen. Im Zentrum steht dabei das Feedback der Klienten, deren subjektives Erleben des Prozesskontinuums. Diese fortlaufende Selbstreflexion legt sofort schonungslos Lücken in der Authentizität oder unbewusste Muster und Bewertungen des Therapeuten offen.

Das ist aus meiner Sicht das große Geschenk dieser Methode/Philosophie, diese kraftvolle gleichberechtigte Beziehung beschenkt sowohl Therapeut und Klient.

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